Sven Müller ist neben der Co-Bandleitung bei „Die letzten fünf Jahre“ auch noch unser Pressesprecher.
Sprechen wir über die Musik des Musicals “Die letzten 5 Jahre”, dann sprechen wir über den Mann, der neben der Musik auch für das Buch, die Songtexte und durch seine Beziehung für die Grundidee von Jamies und Cathys Geschichte verantwortlich ist.
Jason Robert Brown.
Dieser Name ist euch als geneigte Musical-Fans selbstverständlich bekannt.
Wenn ihr darüber hinaus noch wie er selbst Pianist:in seid, dann habt ihr sicherlich beim Spielen seiner Stücke mindestens einmal ehrfürchtig und auch mit ein wenig Unmut über das Anforderungsniveau folgenden Satz innerlich oder lautstark geäußert: “Jason Robert Brown, warum ist deine Musik so schön und schwer zugleich?”
Eine gute Frage: Warum ist seine Musik denn gleichzeitig schön und schwer?
Wenn sich die junge Liebe in den 14 Titeln des Musicals in dahinschmelzender Romantik um zukunftsgerichtete Sehnsüchte und in beinahe absurder Nervosität vor dem ersten Date immer wieder mit der unausweichlichen festgeschriebenen Trennung und der Realisierung über die Unvereinbarkeit des gemeinsamen Lebens abwechselt, dann spielt Jason Robert Brown ebenso sicher auf der Klaviatur der Emotionen wie auf den 88 Tasten seines Instruments. Dieses Wechselspiel der Gefühlslagen ist es, was das Stück so besonders macht. Eine lineare Erzählung von leicht zu schwer würde uns bei Weitem nicht so getroffen und berührt zurücklassen.
Doch nicht nur die emotionale Bandbreite wird abgedeckt, auch das musikalische Spektrum wird so weit es geht ausgeschöpft, handelt es sich bei “Die letzten 5 Jahre” doch um ein Stück, das nur mit akustischen Instrumenten und obendrein auch noch ohne Schlagzeug performt wird. Dabei werden an alle performenden Musiker:innen höchste Anforderungen gestellt. In unserem Fall hören Sie ein Keyboard, eine Akustikgitarre, einen Fretless Bass, eine Bratsche, eine Geige und ein Cello, welches mit Hilfe eines Blaswandlers erklingt.
Diese Vermischung aus schön und schwer, sowohl in Emotion als auch in Musikalität, ist deutlich in “Schau, ich lächle“ zu erkennen. Zärtlich und die Erwartung Cathys an das anstehende Treffen mit Jamie spiegelnd, beginnen Klavier und Gitarre gemeinsam und legen den Grundstein, auf dem im weiteren Verlauf alle Instrumente – im Viertel-Staccato-Beat Cathys Wut und Verzweiflung darüber, dass sie nicht mehr zu Jamie durchkommt untermalend – mit immer weiter anschwellenden und kürzeren Anschlägen aufbauen, um darin zu enden, dass sie wortlos aufgibt und das Klavier in einem “Vamp” den immer gleichen Takt wiederholt. Nach einem kurzen Sprechtext von Jamie geht es wie so oft in diesem Musical nahtlos weiter mit dem nächsten Stück.
Bluesy und lässig wird es immer dann, wenn der coole, junge, erfolgreiche Schriftsteller Jamie auf die Bühne kommt. Egal ob Latin-Feel (“Meine Göttin”) oder dem Sound einer verrauchten Bar wie bei “Wär die Welt perfekt” entnommen – Jason Robert Brown weiß darum, wie er Jamie musikalisch zu präsentieren hat, damit wir als Zuschauende seine Beweggründe und Entscheidungen leichter nachvollziehen wollen.
Doch auch für Jamie gibt es musikalisch zerreißende Themen. So zum Beispiel im letzten Solo-Stück Jamies “Keiner muss das erfahrn”, welches sich im Hauptteil in den oberen Stimmen gleichbleibend über eine chromatisch absteigende Basslinie verändert, wodurch die innere Zerrissenheit des älteren Jamies deutlich wird.
In “Die nächste Stunde” laufen die Zeitstränge der Beiden zusammen und das Intro (ein fließendes, zaghaftes Bett aus kleinen Motiven, das sich in jegliche Richtung entwickeln könnte – Sagt sie “Ja” zu seinem Heiratsantrag oder wird die gemeinsame Zeit nun schon vorzeitig beendet?) wird durch das Outro musikalisch wieder aufgegriffen – dieses Mal mit bedrohlichen Streicher-Elementen, die ankündigen, was wir als Zuschauende schon wissen: Diese Geschichte wird nicht gut ausgehen.
Vielleicht steuert dieses Musical keine Songs zur Top-Ten-Musicalsong-Liste für den Karaoke-Abend bei. Aber was jedes der Stücke, dass ihr hören werdet, vermag, ist uns eine Geschichte zweier Menschen in so vielen Facetten zu zeigen, wie es einem Musical-Komponisten selten gelingt.